Renate Sattler
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Sternenschaukel
Im Hof gefangen,
schneide ich mir Nacht für Nacht
ein Stück aus der Wolke und
trinke den Sternen zu,
bis ihr Wanken mir ein Zeichen ist.
Auf einer Wolkensträhne
reite ich zur Sternenschaukel.
Aue im Lenz
Ungewöhnlich still ist der Abend
an der Schleife im Fluss,
wo der Wald die Siedlung umarmt.
Hinterm Dorf sind die Felder bestellt.
Der Altarm der Elbe mäandert und
verbirgt den Sänger im Schilf.
Windräder drehen sich, und in der Ferne
bricht die Kalihalde den Blick.
Das Kind auf dem Skateboard,
auf dem Deich der Jogger,
als wäre alles wie immer.
Nur die Tische vorm Café sind eingeräumt,
um die Schaukel windet sich ein weiß-rotes Band.
Kalter Wind treibt mich in die Stadt zurück.
Läden mit verschlossenen Mündern
erinnern mich, dass nichts mehr sein wird wie früher.
An der Straße von Messina
Geruch nach Wasser und Salz,
das Haar von Äolus‘ Brise durchweht,
sitze ich auf der Steinbank am Ufer.
Muscheln, die Achaten gleichen,
zu meinen Füßen.
Palmen und Steine am Strand.
Fischerboote warten auf die Nacht.
Und da drüben liegt Messina.
Wenn Großmutter von Sizilien sprach,
den Atlas aufschlug, war der Meeresstreifen,
der jetzt vor mir liegt - ein blauer Strich.
Damals folgte ich dem König von Ithaka zu Inseln,
die ich gestern bewanderte.
Mir flieht die Stunde an der Promenade in Reggio.
Ich falte das Meer zusammen, bis es hinter meine Stirn passt.
Wolken und Schleier überziehen das Peloritani-Gebirge.
Die weißen Punkte da drüben –Messina.
Irgendwo dort zerreißt Salvatore den Faden,
der ihn an sein armseliges Leben bindet,
packt in den Rucksack Weißbrot und Wein,
die Verheißung im Land hinter den Alpen,
während ich den Blick schwer losreißen kann
von den weißen Häusern - da drüben.
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